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lfd. Nr.
309
Prot. Nr.
44/34; msl. Kopie
Sender
Pacelli
Empfänger
Bertram
Ort
Città del Vaticano
Datum
04.01.1934
Archiv
AA.EE.SS. Germania, Pos. 650, fasc. 195, fol. 84r-87r
Betreff
ohne
Regest
Die Ausführungsverhandlungen zum Reichskonkordat; Lage der Theologiestudenten und geistlichen Universitätsprofessoren; die Zukunft der katholischen Vereine und Jugendorganisationen.
Dokument
1Euerer Eminenz darf ich im Nachgang zu meinem Schreiben vom 29. v. M. ganz ergebenst noch einige kurze Äusserungen zukommen lassen, die sich auf gewisse, in der hochgeschätzten Zuschrift vom l6. d. M. enthaltene Fragen beziehen.1
Beide Schriftstücke befinden sich nicht im Aktenfaszikel. Der Entwurf des Schreibens Pacellis an Bertram vom 29.12.1933 (Prot. No. 3714/33) in: AA.EE.SS. Germania, Pos. 647, fasc. 173, fol. 122r-123r. Darin hatte Pacelli zur Strategie des Hl. Stuhls ausgeführt: „Die Ihnen als Vorsitzendem der Fuldaer Bischofskonferenz zugehenden Zuschriften zugunsten einer festen Haltung des deutschen Episkopats sind dem Hl. Stuhl nur zu gut bekannt, da auch an ihn schriftlich und mündlich Auffassungen ganz gleicher Art zahlreich herangetragen werden. Wenn der Hl. Stuhl bisher trotz vielfacher Anlässe, die ihn zu schärferen Entschliessungen berechtigt hätten, der abwartenden Geduld und dem verständigungsbereiten Verhandeln noch den Vorzug gegeben hat, so darum, weil er alle Möglichkeiten erschöpfen wollte, bevor er den deutschen Katholiken, unter denen gewiss die heroischen Geister nicht fehlen, unter denen aber auch starke Strömungen andere Wege für die richtigen halten, die Opfer, Leiden und Ungewissheiten eines Kampfes unter schwierigsten Umständen zumutete. Dass die Dinge eine Entwicklung nehmen können, in denen zur Wahrung der Grundsatzfestigkeit der Gläubigen und zur Vermeidung wirklichen Ärgernisses der Grundsatz des ,obedire oportet Deo magis quam hominibus’ laut verkündet und in konkreten Fragen auch einer widersprechenden Obrigkeit gegenüber vertreten werden muss, ist nach Lage der Sache nicht ausgeschlossen. ... Der folgende Passus ist im Entwurf durchgestrichen, so daß anzunehmen ist, daß er in der Originalausfertigung fehlt: Wie weit der Hl. Vater in weiser und abwartender Geduld zu gehen bereit ist, hat Seine jüngste Weihnachtsansprache erwiesen. Wenn seine Milde ihm dadurch gelohnt werden sollte, daß der Text Seiner Rede auch in dieser zurückhaltenden Form durch die katholischen Zeitungen Deutschlands nicht unverkürzt veröffentlicht werden darf, dann wird allerdings eine klarere und eindeutigere Sprache auch in der Öffentlichkeit sich aller Voraussicht nach nicht lange mehr umgehen lassen.“
2Die mir durch Herrn Ministerialdirektor Dr. Buttmann zugegangene Note,2
Buttmann an Pacelli, Rom, 19.12.1933, in: Albrecht (Hg.), Notenwechsel I, S. 39, Anm. 3.
aus der ich den Hochwürdigsten Ordinarien Deutschlands bereits auszüglich Mitteilung gemacht habe, enthält bezüglich der Theologiestudierenden einige wichtige Zusagen, die in entsprechender Weise zu erweitern ich bei gegebener Gelegenheit und im Rahmen des Erreichbaren mir gerne angelegen sein lasse, umso mehr, als ich weiss, welch entscheidenden Wert der Heilige Vater gerade auf eine nach den kirchlichen Bestimmungen sich vollziehende Ausbildung des Klerus legt. Die Aussichten für die Erringung einer diesen Gesichtspunkt voll anerkennenden Haltung der deutschen Reichsregierung werden umso besser sein, je einheitlicher alle entgegengesetzten Versuche einzelner Stellen von Seiten der in Frage kommenden Ordinarien abgelehnt werden und das Prinzip der konkordatsgemässen und den Vorschriften des kanonischen Rechts entsprechenden Klerikererziehung immer wieder geltend gemacht wird. Aus dem einschlägigen Passus der oben erwähnten Note wollen Euere Eminenz gütigst entnehmen, dass in ihr von Theologiestudierenden die Rede ist, sodass also auch solche, die noch nicht Tonsur bez. Weihen haben, eingeschlossen sind.3
Buttmann an Pacelli, Rom, 19.12.1933 (wie vorangehende Anm.), Abs. 3: „Die Reichsregierung erklärt sich bereit, hinsichtlich der katholischen Theologiestudierenden von einer Verpflichtung zur Beteiligung am S.A.- und Arbeitsdienst abzusehen.“
3Die Massnahmen gegen einzelne Universitätsdozenten und andere in einem zu gleicher Zeit staatlichen Amte gestandenen Geistlichen sind bei der letzten Besprechung mit dem Herrn Abgesandten der Reichsregierung ebenfalls zur Sprache gekommen.4
Pacelli hatte Buttmann zu einer neuerlichen Verhandlungsrunde über die Ausführungsbestimmungen zum Reichskonkordat am 18. und 19.12.1933 im Vatikan empfangen; vgl. die Berichte Buttmanns bei Brechenmacher (Hg.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann, Nr. 12 und 13. Pacelli protestierte bei dieser Gelegenheit gegen die Verpflichtung von Theologiestudenten zum S.A.- und Arbeitsdienst sowie gegen die Anwendung des sogenannten „Arierparagraphen“ des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ auf Universitätsdozenten der Theologie.
Die Geneigtheit zu einem Entgegenkommen war nicht sehr gross. Eine abschliessende Antwort ist jedoch noch nicht erteilt worden. Ich kann nur wünschen, dass die von Euerer Eminenz angekündigten Schritte der von solchen Massnahmen mitbetroffenen H.H. Ordinarien erfolgen. Der Hl. Stuhl wird nicht verfehlen, sie zu unterstützen.
4Von den Mitteilungen über die kirchlich korrekte und erfolgreiche Art, mit der Euere Eminenz die Fälle politisch motivierter Anträge auf Pfarrerversetzungen behandelt haben, habe ich mit Dank und Befriedigung Kenntnis genommen.
5Den Sorgen Euerer Eminenz bezüglich der katholischen Jugendorganisationen vermag ich mich nur anzuschliessen. Unter Bezugnahme auf die kurze diesbezügliche Bemerkung meines letzten Schreibens vom 29. v. M. kann ich mitteilen, dass die Besprechungen mit Herrn Dr. Buttmann bezüglich dieses lebenswichtigen Punktes eine abschliessende Klärung herbeizuführen nicht imstande waren. Er erklärte, dass die eingereichten umfänglichen Listen bei den Einzelstaaten auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestossen seien. Er empfahl dringend statt der bisherigen Listen die Zusammenfassung der bestehenden Organisationen in einige wenige „Sammelgruppen“, unter die alle in Frage kommenden Vereinigungen einbezogen werden könnten.5
Buttmann hatte, völlig konkordatswidrig, jedoch in Übereinstimmung mit einer Initiative Papens gegenüber Gröber, am 18.12.1933 plötzlich die Forderung erhoben, die Leitungspersönlichkeiten der katholischen Vereine auszuwechseln, um eine regimefreundlichere Haltung des deutschen Vereinskatholizismus zu erzwingen. „Ich halte es im Interesse der katholischen Kirche selbst für besser, wenn Sie [Pacelli, ThB] hier eine Erneuerung der Führung veranlassen wollten und die von Erzbischof Gröber m[eines] W[issens] begrüßte Vereinheitlichung des katholischen Vereinslebens nach vier bis fünf großen Gruppen durchführen würden.“ Brechenmacher (Hg.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann, S. 199; vgl. auch ebd., Anm. 162.
Ich möchte annehmen, dass das Eingehen auf diesen formalen Wunsch in irgendeiner Form möglich ist und habe S. E. den Herrn Apostolischen Nuntius in Berlin ersucht, in Fühlungnahme mit dem Hochwürdigsten Episkopat die Ausarbeitung eines entsprechenden Lösungsvorschlags in die Wege zu leiten.6
Pacelli an O., 30.12.1933 (Prot. No. 3721/33); vgl. auch Bericht No. 9346 vom 15.01.1934.
6Des weitern ergab sich jedoch aus der Besprechung mit dem H. Abgesandten der Reichsregierung staatlicherseits die unmissverständliche Absicht, von der Kirche den Verzicht auf die bisherigen Jugendorganisationen bezw. deren bisherigen Tätigkeitsumfang zu erreichen, genauer gesagt die etwa hierzu bestehenden Möglichkeiten zu sondieren. Ich habe demgegenüber dauernd den im Konkordat festgelegten Rechtszustand geltend gemacht. Die Darlegungen des H. Dr. Buttmann lassen jedoch kaum irgend einen Zweifel daran aufkommen, dass an diesem Punkte mit neuen Vorstössen zu rechnen sein wird. Umsomehr, nachdem jetzt die protestantischen Jugendorganisationen – unter welchen Druck, bleibe dahin gestellt – einen Vorgang geschaffen haben, der die diesbezüglichen Wünsche des Staates an die katholischen Jugendorganisationen gewiss nicht abschwächen sondern eher verstärken dürfte.7
Pacelli bezieht sich auf die Ende Dezember 1933 erfolgte Eingliederung der evangelischen Jugendverbände in die Hitlerjugend; vgl. Bericht No. 9137 vom 22.12.1933.
Ich halte es im Interesse der in Frage kommenden Organisationen für dringend geboten, mit möglichster Beschleunigung und unter verantwortlicher Mitbeteiligung des Hochwürdigsten Episkopats den kirchlicherseits zu vertretenden Standpunkt festzulegen. Ein diesbezüglicher Auftrag ist an den Herrn Apostolischen Nuntius in Berlin ergangen.8
Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Kaas an Gröber, 01.01.1934, sowie Pacelli an Gröber, 04.01.1934, in: Stasiewski (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe I, S. 495-498 und 507/508, hier bes. S. 496 und 507.
7Die sonstigen in dem gütigen Schreiben Euerer Eminenz enthaltenen Anregungen werde ich gerne bei sich bietender Gelegenheit zu nutzen suchen. Zu einem erheblichen Teil sind Hinweise der von Ihnen gewünschten Art bereits zu verschiedenen Malen erfolgt.
8In der Hoffnung, dass die weitere Entwicklung so verlaufe, dass sie dem wahren Frieden zwischen Kirche und Staat diene, und mit erneutem herzlichsten Dank an Euere Eminenz für die wertvollen, mir übermittelten Anregungen, bin ich, den Hl. Purpur küssend, Euerer Eminenz verehrungsvoll ergebenster Eugenio Pacelli.
Anhang

1 Beide Schriftstücke befinden sich nicht im Aktenfaszikel. Der Entwurf des Schreibens Pacellis an Bertram vom 29.12.1933 (Prot. No. 3714/33) in: AA.EE.SS. Germania, Pos. 647, fasc. 173, fol. 122r-123r. Darin hatte Pacelli zur Strategie des Hl. Stuhls ausgeführt: „Die Ihnen als Vorsitzendem der Fuldaer Bischofskonferenz zugehenden Zuschriften zugunsten einer festen Haltung des deutschen Episkopats sind dem Hl. Stuhl nur zu gut bekannt, da auch an ihn schriftlich und mündlich Auffassungen ganz gleicher Art zahlreich herangetragen werden. Wenn der Hl. Stuhl bisher trotz vielfacher Anlässe, die ihn zu schärferen Entschliessungen berechtigt hätten, der abwartenden Geduld und dem verständigungsbereiten Verhandeln noch den Vorzug gegeben hat, so darum, weil er alle Möglichkeiten erschöpfen wollte, bevor er den deutschen Katholiken, unter denen gewiss die heroischen Geister nicht fehlen, unter denen aber auch starke Strömungen andere Wege für die richtigen halten, die Opfer, Leiden und Ungewissheiten eines Kampfes unter schwierigsten Umständen zumutete. Dass die Dinge eine Entwicklung nehmen können, in denen zur Wahrung der Grundsatzfestigkeit der Gläubigen und zur Vermeidung wirklichen Ärgernisses der Grundsatz des ,obedire oportet Deo magis quam hominibus’ laut verkündet und in konkreten Fragen auch einer widersprechenden Obrigkeit gegenüber vertreten werden muss, ist nach Lage der Sache nicht ausgeschlossen. ... Der folgende Passus ist im Entwurf durchgestrichen, so daß anzunehmen ist, daß er in der Originalausfertigung fehlt: Wie weit der Hl. Vater in weiser und abwartender Geduld zu gehen bereit ist, hat Seine jüngste Weihnachtsansprache erwiesen. Wenn seine Milde ihm dadurch gelohnt werden sollte, daß der Text Seiner Rede auch in dieser zurückhaltenden Form durch die katholischen Zeitungen Deutschlands nicht unverkürzt veröffentlicht werden darf, dann wird allerdings eine klarere und eindeutigere Sprache auch in der Öffentlichkeit sich aller Voraussicht nach nicht lange mehr umgehen lassen.“
2 Buttmann an Pacelli, Rom, 19.12.1933, in: Albrecht (Hg.), Notenwechsel I, S. 39, Anm. 3.
3 Buttmann an Pacelli, Rom, 19.12.1933 (wie vorangehende Anm.), Abs. 3: „Die Reichsregierung erklärt sich bereit, hinsichtlich der katholischen Theologiestudierenden von einer Verpflichtung zur Beteiligung am S.A.- und Arbeitsdienst abzusehen.“
4 Pacelli hatte Buttmann zu einer neuerlichen Verhandlungsrunde über die Ausführungsbestimmungen zum Reichskonkordat am 18. und 19.12.1933 im Vatikan empfangen; vgl. die Berichte Buttmanns bei Brechenmacher (Hg.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann, Nr. 12 und 13. Pacelli protestierte bei dieser Gelegenheit gegen die Verpflichtung von Theologiestudenten zum S.A.- und Arbeitsdienst sowie gegen die Anwendung des sogenannten „Arierparagraphen“ des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ auf Universitätsdozenten der Theologie.
5 Buttmann hatte, völlig konkordatswidrig, jedoch in Übereinstimmung mit einer Initiative Papens gegenüber Gröber, am 18.12.1933 plötzlich die Forderung erhoben, die Leitungspersönlichkeiten der katholischen Vereine auszuwechseln, um eine regimefreundlichere Haltung des deutschen Vereinskatholizismus zu erzwingen. „Ich halte es im Interesse der katholischen Kirche selbst für besser, wenn Sie [Pacelli, ThB] hier eine Erneuerung der Führung veranlassen wollten und die von Erzbischof Gröber m[eines] W[issens] begrüßte Vereinheitlichung des katholischen Vereinslebens nach vier bis fünf großen Gruppen durchführen würden.“ Brechenmacher (Hg.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann, S. 199; vgl. auch ebd., Anm. 162.
6 Pacelli an O., 30.12.1933 (Prot. No. 3721/33); vgl. auch Bericht No. 9346 vom 15.01.1934.
7 Pacelli bezieht sich auf die Ende Dezember 1933 erfolgte Eingliederung der evangelischen Jugendverbände in die Hitlerjugend; vgl. Bericht No. 9137 vom 22.12.1933.
8 Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Kaas an Gröber, 01.01.1934, sowie Pacelli an Gröber, 04.01.1934, in: Stasiewski (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe I, S. 495-498 und 507/508, hier bes. S. 496 und 507.
Biographien (4):Sachdatensätze (1):

Berichte des Apostolischen Nuntius Cesare Orsenigo
aus Deutschland 1930 bis 1939
Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts in Rom und in Kooperation mit der Kommission für
Zeitgeschichte Bonn und dem Archivio Segreto Vaticano herausgegeben von Thomas Brechenmacher
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