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lfd. Nr.
67
Prot. Nr.
5980
Sender
Orsenigo
Empfänger
Pacelli
Ort
Berlin
Datum
02.01.1933
Archiv
AA.EE.SS. Germania, Pos. 604, fasc. 113, fol. 38r-39v
Betreff
Colloqui con uomini di Governo
Regest
Gespräche des Nuntius mit führenden Vertretern der deutschen Regierung: Reichskanzler von Schleicher, Außenminister von Neurath, Reichspräsident von Hindenburg; Vermutungen über die Zukunft der deutschen Regierung, evtl. unter Mitwirkung von Nationalsozialisten; Schleichers Ansichten über das Amt eines Feldbischofs.
Dokument
1Mi onoro di riferire brevemente a Vostra Eminenza Reverendissima circa i colloqui avuti con i principali uomini di governo durante le visite fatte in occasione del mio ritorno a Berlino.
2Il Cancelliere del Reich, Generale von Schleicher, mi ha ricevuto venerdì in modo molto cortese; parlò della situazione interna, rilevando con compiacenza che si era tranquillizzata, senza però tacere i suoi timori circa l’eventualità di prossime nuove elezioni, come conseguenza di un possibile voto del Reichstag contrario al Gabinetto.1
 General Kurt von Schleicher war vom Reichspräsidenten am 03.12.1932 zum Chef eines Präsidialkabinetts ernannt worden, nachdem Franz von Papen am 17.11.1932 vom Amt des Reichskanzlers zurückgetreten war. Nicht anders als die Kanzlerschaft Papens scheiterte auch diejenige Schleichers wesentlich daran, daß es ihm nicht gelang, tragfähige Unterstützung im Reichstag zu gewinnen oder wenigstens vom Parlament toleriert zu werden. Schleichers Versuch, den linken Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser einzubinden, scheiterte ebenso wie seine Strategie, über eine breite Integration gewerkschaftlicher Kräfte die Zustimmung der SPD zu erhalten. Zuletzt sah Schleicher keinen anderen Ausweg mehr, als den Reichspräsidenten zu bitten, den Reichstag aufzulösen, Neuwahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben sowie einer Regierung autoritären Charakters zuzustimmen. Hindenburg verweigerte unter dem Einfluß der ihn umgebenden „Kamarilla“ sowie v.a. auch von Papens seine Zustimmung und öffnete damit endgültig die Tür für eine Kanzlerschaft Hitlers. Vgl. allg. Schulze, Weimar, S. 391–410; Pyta, Versuche zur Fernhaltung Hitlers; Strenge, Kurt von Schleicher.
Poi richiamando la sua qualità di Ministro anche della Reichswehr accennò alla desiderata nomina di un Vescovo da Campo esente dagli Ordinari; si manifestò dolente che gli Ordinari facciano qualche difficoltà, mostrò di essere al corrente delle proposte fatte da Vostra Eminenza Reverendissima, aggiungendo che la Santa Sede si è mostrata condiscendente a costituire un’assistenza spirituale esente dagli Ordinari e conchiuse dicendomi che desiderava parlarmi ancora in seguito di questo argomento. Io risposi che nella traccia della nota inviata da Vostra Eminenza ero sempre a disposizione del Ministro per una ulteriore conversazione in merito.2
Während der Kanzlerschaft Brünings waren die Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der deutschen Reichsregierung über ein Reichskonkordat und die damit eng verbundene Frage eines (exemten) Militärbischofs in Deutschland ins Stocken geraten. Kanzler von Papen zeigte sich hingegen – aus taktischen Gründen – wieder interessierter, desgleichen Reichswehrminister Schleicher, der im Juli 1932 über den Paderborner Erzbischof dem Heiligen Stuhl die Ansichten seines Ministeriums zum Thema „Militärseelsorge“ übermitteln ließ. Daraufhin reagierte Pacelli seinerseits mit einem Promemoria (25.10.1932), das am 29.10. direkt dem Reichskanzler zuging. Der Kardinalstaatssekretär formulierte darin vier grundsätzliche Forderungen an die Reichsregierung, die als Gegenleistung zur Konzession des exemten Militärbischofs durch den Heiligen Stuhl mindestens zu gewähren seien (Straffreiheit für Geistliche bei Einsegnung einer Ehe vor Abschluß des Zivilaktes; einvernehmliche Regelung kirchenfinanzieller Fragen; Schutz der Rechte der Katholiken hinsichtlich Konfessionsschule und Religionsunterricht; verbindliche Zusicherung der Reichsregierung, die in den Länderkonkordaten getroffenen Vereinbarungen im Falle einer Veränderung der föderalistischen Struktur Deutschlands nicht anzutasten). Hinter diesen Forderungen stand unverändert, wenn auch verhandlungstaktisch gemildert, die Position des Heiligen Stuhls, über die Militärseelsorge in Deutschland könne im Grunde nur im Rahmen allgemeiner Verhandlungen über ein Reichskonkordat gesprochen werden. Druck des Promemoria bei Deuerlein, Das Reichskonkordat. S. 89/90; Kupper, Staatliche Akten, Dok. Nr. 9; vgl. allg., mit allen weiteren Quellenhinweisen, Volk, Reichskonkordat, S. 44-58.
3Credo però che prima vorrà vedere come si risolve la sua posizione nel Reichstag, e poiché a nessun partito (eccetto forse i comunisti) oggi conviene provocare nuove elezioni, tutto si risolverà forse in un rimaneggiamento di Gabinetto con inclusione di qualche membro nazionalsocialista ortodosso oppure dissidente.3
O. spielt hier auf die Bemühungen Schleichers an, den sozialistisch orientierten Hitler-Rivalen Gregor Strasser ggf. als Vizekanzler in seine Regierung zu holen. Obwohl Strasser den offenen Aufstand gegen Hitler nicht gewagt und schon am 9. Dezember alle Parteiämter niedergelegt hatte, gab Schleicher die Hoffnung noch nicht gleich auf, Strasser evtl. als Teil einer „Gewerkschaftsfront“ von links bis rechts doch gewinnen zu können. Vgl. Schulze, Weimar, S. 396.
4Sabato ho visto il Ministro degli Esteri, von Neurath; fu come sempre molto gentile; si interessò di Vostra Eminenza, accennò egli pure alla spada di Damocle che il Reichstag tiene sospesa sopra il Gabinetto e mi parve anche più pessimista del Cancelliere. Non mi disse nulla circa le questioni particolari.
5Ieri al Ricevimento di Capo d’Anno il Signor Presidente del Reich, Maresciallo von Hindenburg, dopo la lettura dei discorsi, nella conversazione particolare ebbe parole molto deferenti per il Santo Padre, di cui disse aver letto con piacere le parole di augurio, che furono udite anche per radio la vigilia di Natale; ricordò con ammirazione poi la manifestazione cattolica del Congresso di Essen4
71. Deutscher Katholikentag, 31.08.-05.09.1932 in Essen, Motto: „Christus in der Großstadt“. Während der nationalsozialistischen Diktatur fanden keine deutschen Katholikentage mehr statt. Erst 1948 wurde die Reihe der Katholikentage in Mainz wieder aufgenommen. Vgl. allg. von Hehl, Zeitzeichen.
, la Santa Messa celebrata alla presenza di duecento e più mila persone, e conchiuse con queste testuali parole: „Abbiamo bisogno che perduri e si fortifichi la fede cristiana in questo povero paese.“
6L’aspetto del Maresciallo Hindenburg è sempre buono; il ricevimento però quest’anno è durato assai meno dello scorso anno, perché ai Ministri ed agli Incaricati d’Affari, fatta solo qualche eccezione, si limitò a dare una semplice stretta di mano.
Anhang

1  General Kurt von Schleicher war vom Reichspräsidenten am 03.12.1932 zum Chef eines Präsidialkabinetts ernannt worden, nachdem Franz von Papen am 17.11.1932 vom Amt des Reichskanzlers zurückgetreten war. Nicht anders als die Kanzlerschaft Papens scheiterte auch diejenige Schleichers wesentlich daran, daß es ihm nicht gelang, tragfähige Unterstützung im Reichstag zu gewinnen oder wenigstens vom Parlament toleriert zu werden. Schleichers Versuch, den linken Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser einzubinden, scheiterte ebenso wie seine Strategie, über eine breite Integration gewerkschaftlicher Kräfte die Zustimmung der SPD zu erhalten. Zuletzt sah Schleicher keinen anderen Ausweg mehr, als den Reichspräsidenten zu bitten, den Reichstag aufzulösen, Neuwahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben sowie einer Regierung autoritären Charakters zuzustimmen. Hindenburg verweigerte unter dem Einfluß der ihn umgebenden „Kamarilla“ sowie v.a. auch von Papens seine Zustimmung und öffnete damit endgültig die Tür für eine Kanzlerschaft Hitlers. Vgl. allg. Schulze, Weimar, S. 391–410; Pyta, Versuche zur Fernhaltung Hitlers; Strenge, Kurt von Schleicher.
2 Während der Kanzlerschaft Brünings waren die Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der deutschen Reichsregierung über ein Reichskonkordat und die damit eng verbundene Frage eines (exemten) Militärbischofs in Deutschland ins Stocken geraten. Kanzler von Papen zeigte sich hingegen – aus taktischen Gründen – wieder interessierter, desgleichen Reichswehrminister Schleicher, der im Juli 1932 über den Paderborner Erzbischof dem Heiligen Stuhl die Ansichten seines Ministeriums zum Thema „Militärseelsorge“ übermitteln ließ. Daraufhin reagierte Pacelli seinerseits mit einem Promemoria (25.10.1932), das am 29.10. direkt dem Reichskanzler zuging. Der Kardinalstaatssekretär formulierte darin vier grundsätzliche Forderungen an die Reichsregierung, die als Gegenleistung zur Konzession des exemten Militärbischofs durch den Heiligen Stuhl mindestens zu gewähren seien (Straffreiheit für Geistliche bei Einsegnung einer Ehe vor Abschluß des Zivilaktes; einvernehmliche Regelung kirchenfinanzieller Fragen; Schutz der Rechte der Katholiken hinsichtlich Konfessionsschule und Religionsunterricht; verbindliche Zusicherung der Reichsregierung, die in den Länderkonkordaten getroffenen Vereinbarungen im Falle einer Veränderung der föderalistischen Struktur Deutschlands nicht anzutasten). Hinter diesen Forderungen stand unverändert, wenn auch verhandlungstaktisch gemildert, die Position des Heiligen Stuhls, über die Militärseelsorge in Deutschland könne im Grunde nur im Rahmen allgemeiner Verhandlungen über ein Reichskonkordat gesprochen werden. Druck des Promemoria bei Deuerlein, Das Reichskonkordat. S. 89/90; Kupper, Staatliche Akten, Dok. Nr. 9; vgl. allg., mit allen weiteren Quellenhinweisen, Volk, Reichskonkordat, S. 44-58.
3 O. spielt hier auf die Bemühungen Schleichers an, den sozialistisch orientierten Hitler-Rivalen Gregor Strasser ggf. als Vizekanzler in seine Regierung zu holen. Obwohl Strasser den offenen Aufstand gegen Hitler nicht gewagt und schon am 9. Dezember alle Parteiämter niedergelegt hatte, gab Schleicher die Hoffnung noch nicht gleich auf, Strasser evtl. als Teil einer „Gewerkschaftsfront“ von links bis rechts doch gewinnen zu können. Vgl. Schulze, Weimar, S. 396.
4 71. Deutscher Katholikentag, 31.08.-05.09.1932 in Essen, Motto: „Christus in der Großstadt“. Während der nationalsozialistischen Diktatur fanden keine deutschen Katholikentage mehr statt. Erst 1948 wurde die Reihe der Katholikentage in Mainz wieder aufgenommen. Vgl. allg. von Hehl, Zeitzeichen.
Biographien (3):Sachdatensätze (1):

Berichte des Apostolischen Nuntius Cesare Orsenigo
aus Deutschland 1930 bis 1939
Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts in Rom und in Kooperation mit der Kommission für
Zeitgeschichte Bonn und dem Archivio Segreto Vaticano herausgegeben von Thomas Brechenmacher
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