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lfd. Nr.
287
Prot. Nr.
9005
Sender
Orsenigo
Empfänger
Pacelli
Ort
Berlin
Datum
08.12.1933
Archiv
AA.EE.SS. Germania, Pos. 647, fasc. 173, fol. 82rv
Betreff
Iscrizione studenti Teologia nei Reparti d’Assalto (S.A.) del Partito
Regest
Übersendet 1) einen Brief Bertrams vom 06.12.1933 über den Versuch der Eingliederung der Theologiestudenten auch der Diözese Breslau in die SA; hiergegen sollten dringend Schritte in Berlin unternommen werden;1
Pacelli hatte bereits in einer Note vom 04.12.1933 an Botschafter von Bergen gegen den Versuch Einspruch erhoben, Studenten und Dozenten der Theologie in die SA einzugliedern sowie zu Wehrsport- und Arbeitslagern einzuziehen; Pacelli an von Bergen, Città del Vaticano, 04.12.1933, in: Albrecht (Bearb.), Notenwechsel I, S. 25-27. Gleichzeitig bereitete er, in ausdrücklichem Auftrag Pius‘ XI., eine Demarche an Vizekanzler von Papen vor, in der die Enttäuschung und Bestürzung des Heiligen Stuhls über die Entwicklung der kirchenpolitischen Situation in Deutschland seit dem Abschluß des RK in offenen Worten zum Ausdruck kommen sollte. Pacelli führte darin u.a. aus: „Euerer Excellenz beehre ich mich ganz ergebenst folgende Zeilen zukommen zu lassen, deren offene Sprache ihre Rechtfertigung findet einmal in dem Umstande, dass Se. Heiligkeit mich zu diesem Schreiben aus höchsteigener Initiative beauftragt hat, sodann aber in dem von Tag zu Tag wachsenden Ernst der Gesamtlage in den kirchlichen Verhältnissen Deutschlands. Gegen starke Widerstände verschiedenster Art hat der Hl. Stuhl in einer von vielen nicht gewürdigten Grosszügigkeit, unter Zurückstellung schwerwiegender Bedenken, im Interesse des Heiles der Seelen und einer möglichst baldigen innern Befriedung des deutschen Volkes seinerzeit unter massgebender Mitwirkung Euerer Exzellenz das Reichskonkordat abgeschlossen. Er ist bei diesem Abschluss von der Voraussetzung ausgegangen, dass die deutsche Reichsregierung dieses Werk im Sinne eines umfassenden und abschliessenden Friedenswerkes zwischen Kirche und Staat zum Ausgangspunkt für eine praktische Behandlung der deutschen Katholiken machen würde, die geeignet wäre, die Dissonanzen der Vergangenheit baldigst zu überwinden, dass sie die lückenlose und unverzügliche Durchführung der Konkordatsbestimmungen nachdrücklich sichern und die wenigen, noch nicht vollständig zur vereinbarlichen Regelung gediehenen Fragen, wie z.B. gewisse Einzelheiten des Artikel 31, beschleunigt und innerhalb der bei dem Abschluss vorgesehenen Zeit in dem in Aussicht genommenen Sinne fördern werde. Diese Erwartungen, deren Erfüllung gerade Sie, sehr verehrter Herr Vizekanzler mehrfach als eine selbstverständliche Rechts- und Ehrenpflicht der Regierung bezeichnet haben, als Sie hier das Reich vertraten, sind leider in wichtigsten Punkten enttäuscht worden. [...] Gelegentlich der letzten Abstimmung am 12. v.M. hat der katholische Volksteil trotz vieler Bedrückungen und schwerer Benachteiligungen seine Treue zum Staat und seine hohe Auffassung der Staatsbürgerpflichten in einer Weise bekundet, dass er auch von diesem Standpunkt gesehen einen Anspruch hat, nicht weiter selbst in denjenigen Bereichen zu minderem Recht behandelt zu werden, wo bei den Konkordatsabmachungen einwandfreie Schutzzusicherungen gegeben worden sind. Stattdessen wird der Lebensraum und der Tätigkeitsbereich aufrechter Katholiken in steigendem Masse beengt und steht, wenn die Dinge so weiter gehen, in augenscheinlicher Gefahr, unter das Minimum dessen zu sinken, was unentbehrliche Voraussetzung eines normalen und aktiven kirchlich-religiösen Lebens ist. Geradezu bestürzt ist der Heilige Vater darüber, dass nunmehr selbst der geheiligte Bereich der priesterlichen Erziehung nicht mehr sicher bleibt vor unstatthaften Eingriffen und Störungen, die mit der Eigenart und Zielsetzung der Vorbereitung zum Altar unvereinbar sind [...]“ (Pacelli an von Papen, Città del Vaticano, 08.12.1933; AA.EE.SS. Germania, Pos. 647, fasc. 173, fol. 91r-93r – msl. Konzept, mit hsl. Korrekturen Pacellis). Jedoch wurde die Demarche nicht abgesandt (fol. 91r trägt den hsl. Vermerk “non più spedita”), offenbar deshalb, weil sich zwischenzeitlich für den 18. und 19. Dezember der bereits Ende November avisierte Besuch Buttmanns in Rom abzeichnete (vgl. Bericht No. 8858 vom 23.11.1933) und Pacelli möglicherweise neue Hoffnung schöpfte, die Verhandlungen über die Ausführungsbestimmungen zum RK doch noch zu einem erfolgreichen Ende bringen zu können. Um die Eskalation der Spannungen, v.a. auch drastische Worte in der bevorstehenden Weihnachtsallokution des Papstes, zu vermeiden, setzte die Reichsregierung Ende 1933 verschiedene – freilich im wesentlichen taktisch motivierte – Zeichen des Einlenkens. Vgl. dazu Albrecht (Bearb.), Notenwechsel I, S. 27-39, insbes. S. 37, Anm. 1; Stasiewski (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe I, Nr. 116 und 116a; Brechenmacher (Bearb.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann.
2) den Wortlaut des „Gesetzes über die Vereinigung von Partei und Staat“.
Dokument
1
Anhang
1(1) Bertram an Orsenigo, Breslau, 06.12.1933 [Abschrift]; (2) Deutsche Allgemeine Ztg., Nr. 534, 02.12.1933: „Gesetz über die Vereinigung von Partei und Staat“.

1 Pacelli hatte bereits in einer Note vom 04.12.1933 an Botschafter von Bergen gegen den Versuch Einspruch erhoben, Studenten und Dozenten der Theologie in die SA einzugliedern sowie zu Wehrsport- und Arbeitslagern einzuziehen; Pacelli an von Bergen, Città del Vaticano, 04.12.1933, in: Albrecht (Bearb.), Notenwechsel I, S. 25-27. Gleichzeitig bereitete er, in ausdrücklichem Auftrag Pius‘ XI., eine Demarche an Vizekanzler von Papen vor, in der die Enttäuschung und Bestürzung des Heiligen Stuhls über die Entwicklung der kirchenpolitischen Situation in Deutschland seit dem Abschluß des RK in offenen Worten zum Ausdruck kommen sollte. Pacelli führte darin u.a. aus: „Euerer Excellenz beehre ich mich ganz ergebenst folgende Zeilen zukommen zu lassen, deren offene Sprache ihre Rechtfertigung findet einmal in dem Umstande, dass Se. Heiligkeit mich zu diesem Schreiben aus höchsteigener Initiative beauftragt hat, sodann aber in dem von Tag zu Tag wachsenden Ernst der Gesamtlage in den kirchlichen Verhältnissen Deutschlands. Gegen starke Widerstände verschiedenster Art hat der Hl. Stuhl in einer von vielen nicht gewürdigten Grosszügigkeit, unter Zurückstellung schwerwiegender Bedenken, im Interesse des Heiles der Seelen und einer möglichst baldigen innern Befriedung des deutschen Volkes seinerzeit unter massgebender Mitwirkung Euerer Exzellenz das Reichskonkordat abgeschlossen. Er ist bei diesem Abschluss von der Voraussetzung ausgegangen, dass die deutsche Reichsregierung dieses Werk im Sinne eines umfassenden und abschliessenden Friedenswerkes zwischen Kirche und Staat zum Ausgangspunkt für eine praktische Behandlung der deutschen Katholiken machen würde, die geeignet wäre, die Dissonanzen der Vergangenheit baldigst zu überwinden, dass sie die lückenlose und unverzügliche Durchführung der Konkordatsbestimmungen nachdrücklich sichern und die wenigen, noch nicht vollständig zur vereinbarlichen Regelung gediehenen Fragen, wie z.B. gewisse Einzelheiten des Artikel 31, beschleunigt und innerhalb der bei dem Abschluss vorgesehenen Zeit in dem in Aussicht genommenen Sinne fördern werde. Diese Erwartungen, deren Erfüllung gerade Sie, sehr verehrter Herr Vizekanzler mehrfach als eine selbstverständliche Rechts- und Ehrenpflicht der Regierung bezeichnet haben, als Sie hier das Reich vertraten, sind leider in wichtigsten Punkten enttäuscht worden. [...] Gelegentlich der letzten Abstimmung am 12. v.M. hat der katholische Volksteil trotz vieler Bedrückungen und schwerer Benachteiligungen seine Treue zum Staat und seine hohe Auffassung der Staatsbürgerpflichten in einer Weise bekundet, dass er auch von diesem Standpunkt gesehen einen Anspruch hat, nicht weiter selbst in denjenigen Bereichen zu minderem Recht behandelt zu werden, wo bei den Konkordatsabmachungen einwandfreie Schutzzusicherungen gegeben worden sind. Stattdessen wird der Lebensraum und der Tätigkeitsbereich aufrechter Katholiken in steigendem Masse beengt und steht, wenn die Dinge so weiter gehen, in augenscheinlicher Gefahr, unter das Minimum dessen zu sinken, was unentbehrliche Voraussetzung eines normalen und aktiven kirchlich-religiösen Lebens ist. Geradezu bestürzt ist der Heilige Vater darüber, dass nunmehr selbst der geheiligte Bereich der priesterlichen Erziehung nicht mehr sicher bleibt vor unstatthaften Eingriffen und Störungen, die mit der Eigenart und Zielsetzung der Vorbereitung zum Altar unvereinbar sind [...]“ (Pacelli an von Papen, Città del Vaticano, 08.12.1933; AA.EE.SS. Germania, Pos. 647, fasc. 173, fol. 91r-93r – msl. Konzept, mit hsl. Korrekturen Pacellis). Jedoch wurde die Demarche nicht abgesandt (fol. 91r trägt den hsl. Vermerk “non più spedita”), offenbar deshalb, weil sich zwischenzeitlich für den 18. und 19. Dezember der bereits Ende November avisierte Besuch Buttmanns in Rom abzeichnete (vgl. Bericht No. 8858 vom 23.11.1933) und Pacelli möglicherweise neue Hoffnung schöpfte, die Verhandlungen über die Ausführungsbestimmungen zum RK doch noch zu einem erfolgreichen Ende bringen zu können. Um die Eskalation der Spannungen, v.a. auch drastische Worte in der bevorstehenden Weihnachtsallokution des Papstes, zu vermeiden, setzte die Reichsregierung Ende 1933 verschiedene – freilich im wesentlichen taktisch motivierte – Zeichen des Einlenkens. Vgl. dazu Albrecht (Bearb.), Notenwechsel I, S. 27-39, insbes. S. 37, Anm. 1; Stasiewski (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe I, Nr. 116 und 116a; Brechenmacher (Bearb.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann.
Biographien (4):Sachdatensätze ():

Berichte des Apostolischen Nuntius Cesare Orsenigo
aus Deutschland 1930 bis 1939
Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts in Rom und in Kooperation mit der Kommission für
Zeitgeschichte Bonn und dem Archivio Segreto Vaticano herausgegeben von Thomas Brechenmacher
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