Meta-Suche


   
lfd. Nr.
1190
Prot. Nr.
A/207/34
Sender
Schulte
Empfänger
Pacelli
Ort
Köln
Datum
27.02.1934
Archiv
AA.EE.SS. Germania, Scatole 1, fol. 150r-151r
Betreff
s. ogg.
Regest
Zur kirchenpolitischen Lage.
Dokument
1Euerer Eminenz beehre ich mich ergebenst und dankbar den Empfang des geschätzten Schreibens vom 19. d. M. (524/34) nebst seinen 3 Anlagen zu bestätigen.1
Pacelli an Schulte, 19.02.1934.
Seit dem 13. d. M., an welchem Tage mein Generalvikar, von mir beauftragt, 4 Schriftstücke zur gegenwärtigen kirchenpolitischen Lage nach dort sandte, beschäftigen mich folgende einschlägige Schriftstücke und Vorgänge, die ich glaube dem Heiligen Stuhle gehorsamst unterbreiten zu müssen:
21. Wortlaut meiner Antwort an Herrn Reichsminister Hess vom 13. Februar;
32. Schreiben des Fürsten Salm-Reifferscheidt vom 14. Februar nebst einer Anlage;
43. Schreiben des Herrn Vizekanzlers von Papen vom 21. Februar nebst einer Anlage;
54. Schreiben des Herrn Majors von Detten, Berlin, v. 21. Febr.
65. Abschrift eines mir heute (28. Febr.) durch die Post zugestellten anonymen Maschinenschriftblattes betr. Verhandlungen v. Papen – Baldur von Schirach.2
Punkt 5 im Original hsl. ergänzt. – Zu diesem Dokument vgl. Anm. 6 zu Bericht No. 9756 vom 02.03.1934.
7 Am 17. d. M. vormittags ließ sich in Köln Herr Vizekanzler von Papen bei mir melden und mutete mir zu, eine Einladung zu Verhandlungen im Reichsinnenministerium für Freitag, den 23. Februar, anzunehmen, bei denen Herr Ministerialdirektor Dr. Buttmann über die Konkordatsfragen referieren werde. Selbstverständlich habe ich sogleich energisch und endgültig unter Hinweis auf meine Unzuständigkeit eine solche Einladung zurückgewiesen. Sein mir dann geäußertes Vorhaben, gleich am Tage nach der Sitzung im Reichsinnenministerium über deren Ergebnis mich durch seinen Mitarbeiter Grafen Thun persönlich informieren zu lassen, hat Herr von Papen nicht ausgeführt. Sein hier beiliegendes Schreiben vom 21. d. M., das er wohl auch dem Herrn Kardinal von Breslau gesandt haben wird, ließ ich noch ohne Antwort.3
Das Schreiben Papens vom 21.02.1934 ließ Schulte durch O. mit Bericht No. 9756 vom 02.03.1934 an Pacelli senden. Der Vizekanzler hatte mit diesem Brief das Schirach-Schreiben vom 20.02.1934 an Schulte überreicht; vgl. zum Gesamtzusammenhang Bericht No. 9722 vom 26.02.1934, sowie dort Anm. 2.
Unbeantwortet ließ ich bislang auch das Schreiben des Herrn von Detten vom gleichen Tage. Die Urteilsfähigkeit dieses Herrn, der laut Versicherung des Herrn Vizekanzlers persönliche Ziele verfolgt, wird nicht hoch bewertet; sein Brief an mich wirft aber auch auf seine katholische Gesinnung kein günstiges Licht. Wenn er glaubt, mich durch Schmeicheleien gewinnen zu können, so irrt er sich vollständig.4
Der hier überaus negativen Beurteilung Hermann von Dettens durch Schulte ist vielleicht die günstigere durch Walter Conrad, Ministerialrat im Reichsinnenministerium und Kollege Buttmanns, entgegenzustellen: „Er [von Detten] hatte am 30. Juni 1934 einen Bruder verloren. Was aber in besonderem Maße geeignet war, ihm ein gewisses Vertrauen zu schaffen, war die Tatsache, daß er am 3.4.35 Buttmann und mir in einem vertraulichen Memorandum ,Politik und Religion’ sein Herz ausgeschüttet hatte. In dieser Aufzeichnung rückte er sehr deutlich von Müller und den ,Deutschen Christen’ ab, sprach von dem ,Terror’ der letzteren, von den ,Terror-Wahlen’ von 1933 und von ‚Reformatoren nicht einmal im Westentaschenformat wie Reichsbischof Müller’“ Conrad, Der Kampf um die Kanzeln, S. 134. Von Detten wechselte nach dem Ende der NS-Parteiabteilung „für kulturellen Frieden“ („Kultfried“; vgl. auch die nachfolgende Anm.) in das neugegründete Reichskirchenministerium und war dort nicht nur für „katholische“ sondern auch für „evangelische“ Kirchenpolitik zuständig. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich II, S. 148, nennt von Detten einen „konservativen Katholiken, der zweifellos ehrlich um eine Vermittlung bemüht war.“ Noch als Vertreter der Abteilung „Kultfried“ nahm von Detten auch an den Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und den Bischöfen Bares, Berning und Gröber vom 25.-30.06.1934 teil; vgl. Brechenmacher (Hg.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann, S. 256-260; hier, S. 257, auch Buttmann über von Detten.
Das vom Reichsminister Hess angekündigte „Amt für kulturellen Frieden“ ist meines Wissens nicht ins Leben gerufen worden, und Herr von Detten hat noch keinerlei amtliche Qualität.5
Heß hatte Schulte (ähnlich wie von Papen am 09.02.; vgl. Anm. zu No. 524/34) in einem Schreiben vom 10.02.1934 (Druck in Stasiewski [Bearb.], Akten deutscher Bischöfe I, S. 881/882) im Nachgang zu dessen Unterredung mit Hitler am 07.02. vorgeschlagen, „in eine vertrauliche Vorbehandlung konkreter Fragen“ einzutreten, und hatte als Mittelsmann von Detten ins Gespräch gebracht, dem die Leitung eines „Amt[es] für den kulturellen Frieden in meinem Befehlsbereich“ übertragen werden sollte. Seinen im vorliegenden Schreiben genannten, ausweichenden Antwortbrief an Heß vom 13.02. ließ der Kölner Kardinal durch O. mit Bericht No. 9756 vom 02.03.1934 an Pacelli senden; Wortlaut dort.
8Wie die Dinge heute liegen, habe ich keine Hoffnung, daß die von der Reichsführung mit mir gewünschten Rücksprachen irgend ein annehmbares Resultat erzielen werden. Ich werde daher am besten tun, von der Erlaubnis Seiner Heiligkeit zu solchen Rücksprachen keinen Gebrauch zu machen.6
Schulte bezieht sich hier auf die ihm im Schreiben vom 19.02. (No. 524/34) unter bestimmten Voraussetzungen erteilte Vollmacht zu weiteren Verhandlungen, insbes. mit Hitler.
Wohl aber möchte ich bei dieser Gelegenheit meiner tief begründeten Überzeugung bestimmten Ausdruck geben, daß die Konkordatsverhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhle und der Reichsregierung ohne neuen Aufschub bald zu Ende geführt werden müssen, wenn nicht die ununterbrochen fortgesetzte Gefährdung der katholischen Jugend traurigste Erfolge zeitigen soll.
9Nächster Tage werde ich mir gestatten, das Protokoll einer auch vom Herrn Erzbischof von Paderborn besuchten Besprechung sämtlicher Ordinarien der Kölner Kirchenprovinz, am 18. und 19. d. M.7
Das Protokoll dieser Besprechung übersandte O. im Auftrag Schultes mit Bericht No. 9756 vom 02.03.1934. Druck des Protokolls in: Stasiewski (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe I, S. 590-598.
mit Vorwissen des Herrn Kardinals von Breslau in Bensberg abgehalten, ergebenst einzusenden.8
Hsl. ergänzte Fußnote im Original: „Da ich eben das Protokoll in Reinschrift erhielt, konnte ich es schon diesem Briefe beilegen.“
Anhang
1Offensichtlich wurde das Schreiben ohne die unter Punkt 1-5 genannten Anlagen abgesandt; diese ließ Schulte einige Tage später durch O. – vielleicht auf dem sichereren Postweg – nach Rom schicken; vgl. Bericht No. 9756 vom 02.03.1934.

1 Pacelli an Schulte, 19.02.1934.
2 Punkt 5 im Original hsl. ergänzt. – Zu diesem Dokument vgl. Anm. 6 zu Bericht No. 9756 vom 02.03.1934.
3 Das Schreiben Papens vom 21.02.1934 ließ Schulte durch O. mit Bericht No. 9756 vom 02.03.1934 an Pacelli senden. Der Vizekanzler hatte mit diesem Brief das Schirach-Schreiben vom 20.02.1934 an Schulte überreicht; vgl. zum Gesamtzusammenhang Bericht No. 9722 vom 26.02.1934, sowie dort Anm. 2.
4 Der hier überaus negativen Beurteilung Hermann von Dettens durch Schulte ist vielleicht die günstigere durch Walter Conrad, Ministerialrat im Reichsinnenministerium und Kollege Buttmanns, entgegenzustellen: „Er [von Detten] hatte am 30. Juni 1934 einen Bruder verloren. Was aber in besonderem Maße geeignet war, ihm ein gewisses Vertrauen zu schaffen, war die Tatsache, daß er am 3.4.35 Buttmann und mir in einem vertraulichen Memorandum ,Politik und Religion’ sein Herz ausgeschüttet hatte. In dieser Aufzeichnung rückte er sehr deutlich von Müller und den ,Deutschen Christen’ ab, sprach von dem ,Terror’ der letzteren, von den ,Terror-Wahlen’ von 1933 und von ‚Reformatoren nicht einmal im Westentaschenformat wie Reichsbischof Müller’“ Conrad, Der Kampf um die Kanzeln, S. 134. Von Detten wechselte nach dem Ende der NS-Parteiabteilung „für kulturellen Frieden“ („Kultfried“; vgl. auch die nachfolgende Anm.) in das neugegründete Reichskirchenministerium und war dort nicht nur für „katholische“ sondern auch für „evangelische“ Kirchenpolitik zuständig. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich II, S. 148, nennt von Detten einen „konservativen Katholiken, der zweifellos ehrlich um eine Vermittlung bemüht war.“ Noch als Vertreter der Abteilung „Kultfried“ nahm von Detten auch an den Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und den Bischöfen Bares, Berning und Gröber vom 25.-30.06.1934 teil; vgl. Brechenmacher (Hg.), Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlaß des Ministerialdirektors Rudolf Buttmann, S. 256-260; hier, S. 257, auch Buttmann über von Detten.
5 Heß hatte Schulte (ähnlich wie von Papen am 09.02.; vgl. Anm. zu No. 524/34) in einem Schreiben vom 10.02.1934 (Druck in Stasiewski [Bearb.], Akten deutscher Bischöfe I, S. 881/882) im Nachgang zu dessen Unterredung mit Hitler am 07.02. vorgeschlagen, „in eine vertrauliche Vorbehandlung konkreter Fragen“ einzutreten, und hatte als Mittelsmann von Detten ins Gespräch gebracht, dem die Leitung eines „Amt[es] für den kulturellen Frieden in meinem Befehlsbereich“ übertragen werden sollte. Seinen im vorliegenden Schreiben genannten, ausweichenden Antwortbrief an Heß vom 13.02. ließ der Kölner Kardinal durch O. mit Bericht No. 9756 vom 02.03.1934 an Pacelli senden; Wortlaut dort.
6 Schulte bezieht sich hier auf die ihm im Schreiben vom 19.02. (No. 524/34) unter bestimmten Voraussetzungen erteilte Vollmacht zu weiteren Verhandlungen, insbes. mit Hitler.
7 Das Protokoll dieser Besprechung übersandte O. im Auftrag Schultes mit Bericht No. 9756 vom 02.03.1934. Druck des Protokolls in: Stasiewski (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe I, S. 590-598.
8 Hsl. ergänzte Fußnote im Original: „Da ich eben das Protokoll in Reinschrift erhielt, konnte ich es schon diesem Briefe beilegen.“
Biographien (15):Sachdatensätze ():

Berichte des Apostolischen Nuntius Cesare Orsenigo
aus Deutschland 1930 bis 1939
Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts in Rom und in Kooperation mit der Kommission für
Zeitgeschichte Bonn und dem Archivio Segreto Vaticano herausgegeben von Thomas Brechenmacher
 Texte | Quellen u. Literatur | Abkürzungen | Impressum | Hilfe |